Die 8-Bit Generation neigte sich ihrem Ende entgegen. Erste 16-Bit Maschinen lösten die alte Technik Schritt für Schritt ab. Namen wie „Commodere Amiga“ oder „Atari ST“ wurden im Heimcomputer-Bereich geläufiger. Und bei den Konsolen? Hier hatte Nintendo eine Markpräsenz von etwa 92 Prozent in Japan. Ebenso rund 95 Prozent in Nordamerika. Die eigene 8-Bit Maschine Master System konnte diesen Kampf nicht mehr gewinnen. Allerdings hatte SEGA einen Trumpf im Ärmel: die bereits sehr erfolgreichen „Sega System 16“ Spiele auf den drei neuen Arcade Automaten „Megatech“, „Megaplay“ und „System C“. Hierzu zählen Spiele wie Shinobi, Altered Beast oder Golden Axe. Genau diesen Erfolg wollte SEGA auf den Heimkonsolenbereich übertragen. Der neue Name der Maschine? MK-1601. Die Entscheidung für ein neues 16-Bit System fiel bereits 1987.

Doch wo genau stand SEGA als Unternehmen zu dieser Zeit? Den „North American Video Game Crash“ im etwaigen Zeitraum 1983 bis 1985 hatte SEGA überlebt. Jedoch verkaufte „Gulf + Western“ (später Paramount Pictures) SEGA im Jahr 1983 an den Pinball-Hersteller „Bally Manufacturing“. SEGA-Mitbegründer David Rosen kaufte zusammen mit Hayao Nakayama, Shoichiro Irimajiri und mithilfe der „CSK-Corporation“ die SEGA-Anteile zurück. Nakayama war nun Präsident von SEGA Japan, CSK-Chairman Isao Okawa wurde auch Chairman bei SEGA Japan. Rosen übernahm dagegen als Chairman die Geschäfte in Amerika. SEGA of America sollte Videospiele für den amerikanischen Markt anpassen. SEGA of Europa gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Publisher „Mastertronic“ bemerkte im Frühjahr 1987, dass SEGA keinen Distributor auf dem UK-Markt hatte und vertrieb das Master System aggressiv in England, Deutschland und Frankreich. Das Master System verkaufte sich dadurch besser als die Konkurrenz von Nintendo in Europa. Fast der gesamte Umsatz von Mastertronic entstand schließlich im Jahr 1991 durch SEGA Produkte, obwohl man eigentlich zweigleisig fuhr: einerseits der Vertrieb von Hard- und Software für SEGA, andererseits Publishing und Spiele-Entwicklung für den Anteilseigner „Virgin Group“. SEGA übernahm 1991 den Unternehmensbereich, wodurch das moderne SEGA of Europe entstand. Mastertronic-Gründer Frank Herman wurde stellvertretender Managing Director von SEGA of Europe, Mitbegründer Alan Sharam Managing-Director bei SEGA UK. Damit war man als Unternehmen bestens für den Vertrieb einer neuen Hardware gewappnet.

Inzwischen wurde die Konsole auch als „Mark V“ bezeichnet, denn so stellte das japanische Magazin „Beep!“ das System im Juni 1988 vor. Das 16-Bit System wurde allerdings umgetauft. Denn SEGA wollte einen Namen, der Kraft und damit die Überlegenheit auch zum eigenen Master System ausdrückte. Die Erhabenheit SEGAs neuer Konsole und die Geschwindigkeit steckten in den Worten "Mega" und "Drive". Am 29. Oktober 1988 wurde die Konsole in Japan für 21.000 Yen (295 DM bzw. rund 150 Euro) veröffentlicht. Hier trat das System noch gegen Nintendos 8-Bit System „Famicon“ alias „NES“ an. Der Release des 16-Bitters wurde allerdings durch die Veröffentlichung von „Super Mario Bros. 3“ überschattet. Nintendos Spiel erschien nur eine Woche zuvor. Dank positivem Feedback der Magazine Beep! und Famitsu konnte SEGA den Absatz steigern, wenngleich sie im ersten Jahr nur 400.000 Konsolen in Japan verkauften.

Mega Drive Japan Commercial

In Amerika sollte der Mega Drive bereits ab 9. Januar 1989 verkauft werden. Hier musste SEGA aber zuvor einige Probleme lösen. Von SEGA nie offiziell kommuniziert, machte es aber sehr wahrscheinlich eine mögliche Markenrechtsverletzung notwendig, das System in Genesis umzubenennen. Der neue Name bedeutet so viel wie Ent- bzw. auch Auferstehung. Der goldene Schriftzug mit dem 16-Bit Logo verschwand, da man dies mit gelber Farbe verwechseln könnte. Hideki Sato, Designer vom SEGA R&D-Hardware-Team, merkte an, dass gelb keine beliebte Farbe in Amerika war. Aus gleichen Gründen wurden die blauen Farbakzente geändert. Das 16-Bit Logo wurde silber und verkleinert. Die Designänderungen spiegelten die Kulturunterschiede zwischen Japan und Amerika wieder. Da man mit dem bisherigen amerikanischen Distributor „Tonka“ nicht zufrieden war, wurden die Rechte zum Vertrieb der Atari Corporation angeboten, die noch kein 16-Bit System im Heimkonsolen-Bereich besaßen. Jack Tramiel, Gründer von Atari, lehnte David Rosens Angebot jedoch mit der Begründung ab, sich auf den Atari ST im Bereich der Heimcomputer zu fokussieren. Der Launch der Hardware verzögerte sich schließlich um einige Monate. Der Genesis wurde erst am 14. August 1989 in New York City und Los Angeles veröffentlicht – durch die eigene Gesellschaft SEGA of America. Der Rest Nordamerikas wurde erst am 15. September 1989 beliefert. Der Preis lag bei 189,99 US-Dollar. Michael Katz wurde im Oktober 1989 als SEGA of America Präsident eingesetzt mit dem Ziel, eine Millionen Genesis Konsolen innerhalb eines Jahres zu verkaufen. Tatsächlich setzte SEGA die Hälfte in diesem Zeitraum ab.

"Also färbten wir die Hardware schwarz und brachten den 16-BIT Schriftzug in goldener Farbe an. Dieser Golddruck war übrigens sehr teuer. Aber wir wollten unbedingt hervorheben, dass dies die allererste 16-Bit Heimkonsole war."
(Hideki Sato über den Mega Drive – SEGA R&D, Hardware Design)


Hayao Nakayama war es, der Tom Kalinske im Oktober 1990 an Bord holte. Kalinske schaute sich in Japan bereits die Technologie des Mega Drive aber auch des zukünftigen Game Gear an und sah viel Potenzial. In Amerika studierte er darauf das noch sehr kleine Unternehmen SEGA of America drei Monate lang und ging schließlich im März 1991 zurück nach Japan mit den Worten:

"Schaut, ihr macht das alles falsch. Ihr könnt den Sega Genesis nicht für 189,99 US-Dollar verkaufen." Denn das war zu damaligen Zeiten sehr teuer. (Unter Berücksichtigung der Inflationsrate entspräche dies im Jahr 2013 rund 360 US-Dollar.) "Altered Beast wird sich in Kansas nicht verkaufen." Dies war und ist eine Hardcore Band in dem amerikanischen Bundesstaat. "Außerdem verlasst ihr euch zu sehr auf japanische Software. Ihr müsst in den USA selbst Software entwickeln und eure Bemühungen in den US-Markt gehörig steigern und intensivieren." Denn Kalinske sprach in dem Zug auch Nintendo an: "Ihr habt es mit einem Konkurrenten zu tun, der 98 Prozent des Marktes besitzt und entsprechend Druck auf alle anderen Unternehmen ausüben kann. Niemand wird für euch entwickeln, solange sie die Drittanbieter so eisern im Griff haben. Also müssen wir das irgendwie aufbrechen. Und ich habe schon ein paar Ideen dazu. Eine davon ist: Ihr müsst gegen Nintendo werben, euch über sie lustig machen. Verspottet Nintendo und zeigt den Kindern, dass das NES die absolut uncoolste Maschine ist, die man besitzen kann."

Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits auf amerikanischer und japanischer Seite an einem neuen Videospielhelden gearbeitet, der später als Sonic the Hedgehog bekannt werden sollte. Dieses Spiel wollte Kalinske der Konsole beilegen und damit Altered Beast aus dem Konsolen-Bundle loswerden. SEGA Japan machte dies wütend: den besten Titel kostenlos beilegen, keine Marge mehr bei der Hardware durch eine Preissenkung, den ganzen Gewinn aufgeben? Das mache keinen Sinn. SEGA Japan sagte zu Kalinske, sie mochten keine der Ideen, die er äußerte – zu 100 Prozent nicht. Weder die Werbung gegen Nintendo, noch die Eigenentwicklungen in den USA und schon gar nicht, den besten Titel der Hardware beizulegen, nichts zu verdienen. Doch beim Verlassen des Raumes sagte Nakayama: "Aber wir haben dich eingestellt, damit du die Entscheidungen für Amerika und Europa triffst. Auch wenn wir denken, dass du verrückt bist und wir nicht zustimmen. Mach weiter und tu es!" Nakayama wusste, wen er für den Posten als SEGA of America Präsident eingestellt hatte. Kalinske hatte zuvor die „Barbie“-Marke bei Mattel von einem 42 Millionen US-Dollar Brand zu einem Gewicht von 550 Millionen aufgebaut, ebenso die Marke „Hot Wheels“ zurück zur Profitabilität geführt und entwickelte unter anderem die „He-Man: Masters of the Universe“ Reihe. Jetzt lag der Aufbau SEGAs in seinen Händen.

In Japan wurden Kalinskes Worte unlängst wahr. Denn der Mega Drive sorgte nur mäßig für Aufsehen. Japanische Hersteller hielten sich mit Projekten für SEGAs Maschine zurück, um es sich nicht mit Nintendo zu verderben. Der Mega Drive verkaufte sich schlechter als die stationäre Konsole „NEC PC Engine“. Das Super Nintendo alias Super Famicon in Japan erschien im November 1990 im Handel und ließ die Mega Drive Verkäufe weiter stocken. Nintendo erreichte einen Marktanteil bis etwa 80 Prozent in Japan. 

Mega Drive | UK Launch

Erkan und Stefan: SEGA Reklame

Mega Drive | UK Advert


Relativ zeitgleich am 14. September 1990 führte Mastertronic den Mega Drive zunächst in Großbritannien zu einem Preis von 189,99 Pfund ein. Bis November 1990 folgte der Release in den restlichen europäischen Ländern, wie Frankreich und Deutschland. Nie zuvor war es möglich, SEGAs berühmte Arcade Hits auf Konsole zu portieren und Spielhallen-Hits direkt ins heimische Wohnzimmer zu holen. Die Konsole wurde – ganz im Gegensatz zu Japan – in Europa wesentlich freundlicher aufgenommen. Zum Launch gab es unter anderem The Revenge of Shinobi, Golden Axe oder auch „Space Harrier II“. Sogar erste Atari- und Amiga Spiele wurden für SEGAs Flaggschiff umgesetzt. Ein Grund für den Erfolg war die Vertriebsstruktur, die Mastertronic in Europa schon zu Master System Zeiten aufgebaut hatte. Diese zahlte sich für SEGA aus, insbesondere weil Nintendo-Produkte zu dieser Zeit über verschiedene Distributoren veröffentlicht wurden und damit nicht als einheitliches Gesamtkonzept. Als Folge übernahm SEGA den Geschäftsbereich 1991 als SEGA of Europe. Das erste Bundle enthielt wohlbemerkt auch in Europa neben der Konsole und einem Controller das Spiel Altered Beast. Das bis dato populäre Arcade-Game wurde von SEGA direkt auf den Mega Drive portiert. Viele weitere Arcade Hits rund um „Ghouls 'N Ghost“, „Strider“ oder „Super Thunder Blade“ folgten den Weg aus den Arcade Hallen ins Wohnzimmer. Immer mehr Third-Party Entwickler unterstützten SEGAs Konsole. Gleichzeitig führte SEGA UK ein Marketing an, das einem Piraten-TV-Sender ähnelte – quasi ein Sender ohne Lizenz. Die Werbespots der „SEGA TV“-Kampagne waren recht bizarr und laut. Sie zeigten nebst Mega Drive auch die späteren Add Ons Mega-CD und 32X. Die Spots sorgten Aufsehen und wirkten dem Marketing von Nintendo entgegen.

SEGA TV | Commercial mit dem Mega Drive 2




Im Dezember 1990 brachte der Lizenzpartner Tec Toy den Mega Drive in Brasilien auf den Markt. Als Nintendo hier im August 1993 offiziell das neue SNES veröffentlichen wollte, standen sie nicht nur den bereits inoffiziellen Veröffentlichungen, also Raubkopien, gegenüber. Tec Toy hielt in Brasilien rund 80 Prozent des Marktes mit den SEGA Systemen Mega Drive und Master System. 

GENESIS does what Nintendon’t

In Amerika vollzog Kalinske seine Idee, Nintendo zu verspotten. Das Marketing „Genesis does what Nintendon't“ führte SEGA in eine große Anzeigen-Kampagne. Electronic Arts überging Nintendo und entwickelte für den Mega Drive bzw. Genesis. Beinahe all ihre Sport-Titel begannen ihr Debut auf SEGAs Flaggschiff. Vor allem „John Madden Football“ wurde zur „Killer App“ auf dem SEGA System. Als Nintendo das SNES im August 1991 in Amerika veröffentlichte, hatte der Hersteller bereits nicht mehr viel gegen SEGA entgegenzusetzen. Dafür sorgte Kalinske auch mit seiner nächsten Amtshandlung: Als Sonic the Hedgehog am 23. Juni 1991 in Amerika veröffentlicht wurde, legte er das Spiel dem SEGA Genesis kostenlos bei. Er sollte den Rang um Nintendos Helden Mario ablaufen. Der Preis wurde, wie von Kalinske vorgesehen, auf 149 US-Dollar gesenkt. Sonic wurde fortan zum berühmtesten Markenzeichen SEGAs und führte zur Verdopplung der Verkaufszahlen des Genesis in den USA. Sonic wurde im Westen sogar weitaus beliebter als in Japan, weshalb Star-Entwickler Yuji Naka das Sonic Team zeitweise verließ und im amerikanischen Studio Sega Technical Institute anheuerte und damit vor Ort und in der Nähe der Sonic Fans an weiteren Sonic-Titeln arbeitete. SEGA zerschlug Nintendos Marketing-Konzept und holte sich einen Marktanteil von anfangs etwa 55 Prozent und stockte diesen noch weiter bis auf rund 65 Prozent in Amerika auf. Die Jahre 1992 und 1993 wurden zur Blütezeit des Mega Drive alias Genesis. Unter Jugendlichen und Erwachsenen wurde SEGA zur hippen und coolen Marke unter den Videospielen. SEGA Japan übrigens folgte dem Beispiel und bot schon 1991 ebenfalls ein Bundle mit dem Spiel Sonic the Hedgehog an.

Sonic the Hedgehog Commercial

Genesis does what Nintendon't


Der Vergleich des SEGA Genesis mit dem SNES führte auch zum Spot, in dem der Yamaha Grafikprozessor mit seiner kraftvollen DMA Unit als Blast Processing Technologie hervorgehoben wurde. Denn laut SEGA machte genau dies den Genesis zur überlegenen Spielmaschine. Zudem führte Kalinske den SEGA Scream innerhalb der Webespots ein, der lange zu einem beliebten Markenzeichen gelten sollte. Nintendo geizte im Gegenzug ebenfalls nicht mit Behauptungen und täuschte sogar vor, 1991 mehr Konsolen verkauft zu haben – die Realität sah anders aus. 1992 würden es sechs Millionen Einheiten sein, tatsächlich waren es vier Millionen. Der Genesis verkaufte sich verglichen mit dem SNES im Verhältnis 2:1, weshalb Nintendos Marktanteil bis Ende 1993 auf etwa 37 Prozent zurückging. Aufgrund solcher Verschleierungstaktiken war es nach der 16-Bit Ära allerdings kaum mehr möglich, einen echten Sieger zu nennen. Verschiedene Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Auch das Re-Design als Mega Drive 2 bzw. Genesis 2 wurde in verschiedenen Bundles angeboten, um Nintendo Paroli zu bieten. Ausgeliefert wurde das System beispielsweise mit „Virtua Racing“, Sonic the Hedgehog 3, „Street Fighter 2” oder mit einem Multi-Modul, auf dem sich drei unterschiedliche Spiele befinden – zum Beispiel „Columns“, „World Cup Italia 90“ und „Super Hang-On“. SEGA war in der Lage, Nintendo an vier aufeinanderfolgenden Weihnachtsgeschäften zu übertreffen und hatte stets eine Antwort auf Nintendos Bemühungen. Als Nintendo zum Beispiel mit einem exklusiven „Final Fight“ auftrat, konterte SEGA mit Streets of Rage. Es hatte größere Level, bessere Gegner und den fetzigeren Soundtrack. Anfang 1993 bestand die Spielbibliothek aus rund 250 Spielen, Nintendo hatte etwa 75 Spiele. Erst 1994 verhalf das Nintendo Spiel „Donkey Kong Country“ zu besseren Verkäufen des SNES. Das Nintendo System wurde langsam populärer.

Der Anfang für den langsamen Abschwung des Mega Drive ist am 8. Januar 1994 zu finden: Nakayama entschied in Japan, einen 32-Bit Nachfolger für den Mega Drive zu entwickeln. Da der Mega Drive im japanischen Gefilde nie besonders gut angenommen wurde, schaute man entsprechend in die Zukunft. Joe Miller von SEGA of America war von der Präsentation des Project Jupiter nicht besonders angetan. In Amerika wollte man aufgrund des großen Genesis-Erfolgs nicht demnächst auf ein neues System umstellen und arbeitete statt an einer vollkommen neue Konsole an einem Add On für den 16-Bitter: das 32X. Dieses erschien noch im selben Jahr in Amerika und verkaufte sich zunächst auch sehr gut, obwohl es zu dieser Zeit kaum Spiele für das 32-Bit System gab. Potenzielle Käufer mussten zunächst sogar warten, um in den Genuss des neuen Systems zu kommen. Denn Händler bekamen nur etwa die Hälfte der versprochenen einer Million Geräte aufgrund von Lieferengpässen. Gerüchte über einen echten Nachfolger des Mega Drive / Genesis verwirrten allerdings die Kunden. Denn SEGA Japan veröffentlichte im November 1994 den SEGA Saturn als Nachfolger des Mega Drive. Zudem gab es einen Newcomer im Konsolengeschäft: Die Sony PlayStation erschien in Japan im Dezember 1994 mit 32-Bit Technologie und trat direkt gegen den SEGA Saturn an.

Während SEGA of America am Erfolg des SEGA Genesis festhalten wollte – immerhin wurden 3,5 Millionen Genesis im Jahr 1994 verkauft – wurde seitens SEGA Japan bereits der US-Release für das kommende Jahr 1995 forciert, um das rein japanische Mega Drive Debakel abzuschließen. Denn in Japan lag SEGA mit etwa 3,5 Millionen verkauften Geräten weit hinter den 11 Millionen von Nintendo. Zudem schlug der SEGA Saturn in Japan zunehmend die PlayStation von Sony. Schnell wurde auch in Amerika klar, dass der 32X nicht lange überleben würde. Während von da an – im Laufe des Jahres 1994 – der SEGA-Marktanteil sank, verkaufte sich das SNES immer besser – nicht zuletzt durch einige neue Titel speziell aus dem Hause Squaresoft. In dieser Zeit zog auch Sonic & Knuckles gegen Nintendos „Donkey Kong Country“ den Kürzeren. Vor allem die Lücke an Rollenspielen auf dem Mega Drive, die Nintendo auf dem SNES schloss, führte zur großen Beliebtheit des Nintendo Systems. SEGA senkte den Genesis dagegen auf 100 US-Dollar, um weitere Käufer anzusprechen und veröffentlichte Ende 1995 die mobile Variante Genesis Nomad. SEGAs Add Ons 32X und auch Mega-CD floppten währenddessen. SEGA Japan verordnete, den Saturn früher als ursprünglich angedacht zu verkaufen. Dadurch wurde – so Kalinske in einem späteren Interview – der Launch der neuen Hardware quasi eigenständig torpediert. Denn viele Händler bekamen dadurch nicht rechtzeitig entsprechende Stückzahlen oder auch gar keine, während sie bei Verfügbarkeit keine SEGA Konsolen mehr in den Bestand aufnehmen wollten. Auch Drittanbieter von Software hatten damit keinen Titel zum Launch parat und fühlten sich übergangen. Kalinske war der Ansicht, der SEGA Saturn hätte im Westen sogar vielmehr um ein Jahr verschoben werden sollen. Doch während sich SEGA of America nun auf den Saturn konzentrieren sollte und musste, verkauften sie dennoch und noch immer über zwei Millionen Genesis-Spielkonsolen im Jahr 1995. Und es hätten laut Kalinske nochmals über 300.000 Einheiten im Weihnachtsgeschäft sein können. Nintendo holte sich derweil immer mehr Marktanteile zurück, ohne gegen die 32-Bit Systeme von SEGA und Sony zu konkurrieren: Schon Mitte 1995 stand Nintendo beinahe weltweit erneut an der Spitze der monatlichen Verkaufszahlen in Amerika. SEGA hätte dies mit dem eigenen 16-Bitter Nintendo gleichtun können. Tom Kalinske legte, insbesondere aufgrund der Reibereien zwischen SEGA Japan und America, seinen Posten bei SEGA of America zum 30. September 1996 nieder. Zur gleichen Zeit – am 29. September 1996 – veröffentlichte Nintendo das N64 als 64-Bit Maschine in Amerika.

Mega Drive | Australien Advert

Sonic Mania Day

Genesis for Christmas

Über 40 Millionen verkaufte Einheiten

SEGA veröffentlichte mit „The Ooze“ vom Sega Technical Institute das letzte Mega Drive Spiel bereits 1995 in Japan. Drittanbieter brachten noch bis 1996 Spiele für den japanischen 16-Bitter. In Europa erschienenen mit „Fifa 98: Road to World Cup“ (Juni 1997) und „The Lost World: Jurassic Park“ (Oktober 1997) die letzten Mega Drive Titel. Das letzte Spiel für den Genesis in Amerika war „Frogger“ im Jahr 1998. In diesem Jahr lizensierte Majesco Entertainment die 16-Bit Hardware von SEGA und brachte mit dem Genesis 3 ein weiteres Re-Design in Amerika auf den Markt. Majesco plante den Verkauf von weiteren 1,5 Millionen Einheiten bis Ende 1998. Eingestellt wurde der Genesis 3 im Jahr 1999. Das meistverkaufte Spiel war mit 15 Millionen Einheiten SEGAs Kultigel Sonic the Hedgehog.

Aladdin Commercial


SEGA verkaufte bis zum Ende der Mega Drive Ära rund 30,75 Millionen Geräte. Hinzu kommen weitere Mega Drive Versionen, die durch Majesco erwähnten 1,5 Millionen Einheiten sowie weitere etwa drei Millionen durch Tec Toy. Nicht eindeutig beziffert sind die Verkäufe durch den Distributionspartner Shaw Wallace in Indien und Samsung in Korea, wo der Mega Drive (als „Super Gam*Boy“) später in „Super Aladdin Boy“ umgetauft wurde. Insgesamt jedoch lagen die Verkäufe des 16-Bitters bei etwas über 40 Millionen Einheiten weltweit: davon über 9 Millionen in Westeuropa, etwa 3,58 Millionen in Japan und vermutlich zwischen 20 und 25 Millionen in Amerika; die laut Berichten viel kleinere Menge in Indien und Korea. In den Verkaufszahlen sind die nach dem Ende der eigentlichen MD-Ära noch viele Jahre anhaltenden Lizenzbauten und Verkäufe durch Tec Toy nicht inbegriffen. 

„Zählen wir all die verschiedenen Genesis-Modelle zusammen, einschließlich des Nomad, Modell 1, Modell 2 und weitere (ohne das spätere Majesco-Zeug, das sogenannte Modell 3), der Genesis hat etwas mehr als 40 Millionen Einheiten weltweit geschafft.“
(Joe Miller, Senior Vice President of Product Development Sega of America - 2013 im Interview mit sega-16.com)

 

Interessante Facts:

Die Mega Drive Ära und all ihre Spiele waren sehr beliebt. Es entstanden in den Folgejahren nicht verschiedene Emulatoren wie GenEM, VGen oder KGen, auch SEGA selbst stellte mehrfach Collections zusammen oder veröffentlichte unzählige Titel rundumerneuert für verschiedene Systeme. Zu den Collections zählen Sonic Collections für PS2, Xbox Und GameCube oder SEGA Mega Drive Collections für PS2, PSP, Xbox 360 und PS3 aber auch PS4, Xbox One, Switch und PC. Einzelne Spiele-Downloads veröffentlichte SEGA erneuert in HD für PC und Konsole oder in 3D für den Nintendo 3DS. Smartphones und Tablets bekamen und bekommen ebenfalls verschiedene Klassiker.

Die Beliebtheit der Konsole nutzte SEGA im Jahr 2018 und kündigte den Mega Drive / Genesis Mini an. Die erste Konsole von SEGA seit dem Dreamcast Aus im Jahre 2001 wurde 2019 veröffentlicht und beinhaltet 40 installierte Spiele. Damit folgte SEGA dem aktuellen Trend, Retro Konsolen im Mini-Design neu aufzulegen – so wie es Nintendo bereits sehr erfolgreich vormachte.




„The best mini console out there...“

(engadget.com)

„The SEGA Genesis Mini is the closest thing we have to a perfect all-in-one mini console so far. Blast Processing at 55% the size.”
(ign.com)

„…possibly the best mini retro console yet…“
(eurogamer.net) 

Mega Drive Mini - Unsere Geschichten

Als Distributionspartner in Brasilien veröffentlichte Tec Toy nicht nur den Mega Drive in Brasilien. Die Lizenzierung erlaubte es dem Spielzeug- und Elektronikhersteller, die Konsole in Eigenregie zu produzieren und neu zu veröffentlichen. Seit 2015 verkauften sich das Master System und der Mega Drive zusammen zu rund 150.000 Einheiten im Jahr – also 18 Jahre nach der offiziellen Einstellung durch SEGA. Vergleichbar war dies in der Zeit mit den Verkäufen einer modernen Konsole (PS4, Xbox One). Zudem entwickelte Tec Toy Derivate für den einkommensschwachen Markt, sodass die Konsolen nicht mehr über einen Cartridge-Slot für Module verfügen. Stattdessen sind Spiele direkt auf dem System installiert. Eine dieser Lizenzbauten ist ein tragbarer Mega Drive mit 20 integrierten Spielen.

Ohnehin ging Tec Toy einen etwas anderen Weg im Konsolendesign und auch Branding. So erschien das uns bekannte MD1-Design dort auch schon als Mega Drive 2. Unserer MD2 erhielt durchaus auch bereits ein Mega Drive III Branding – alles innerhalb des eigentlichen Lebenszyklus des Mega Drive weltweit in den 1990er Jahren. Bereits ab 1998 veröffentlichte Tec Toy den „Super Mega Drive 3“ in verschiedenen Ausführungen. 2005 waren hier 71 Spiele integriert. Ab 2007 wurde der Mega Drive 3 ohne Modul-Slot veröffentlicht, spielte daher nur noch die integrierten Spiele ab – immerhin bis zu 86 Stück. Im Oktober 2009 folgte der Mega Drive 4 auf dem brasilianischen Markt, der auch mit dem Schriftzug „Guitar Idol“ versehen war. 87 Spiele waren integriert, einen Modul-Slot gab es auch hier nicht mehr. Ein Update des MD4 gab es bereits 2010 mit insgesamt 100 Spielen und SD-Card Slot. Die Konsole konnte MP3 abspielen. Die Mega Drive Verkäufe als Lizenzbau der Hardware schreiten bis heute weiter voran. 2017 veröffentlichte das Unternehmen den uns bekannten MD1 erneut mit 22 integrierten Spielen und Modul-Slot. Die Konsole, die auf einem Chip basiert, ist allerdings nicht mit den Add Ons kompatibel und hat keinen Support für den SVP-Chip – sprich „Virtua Racing“ ist mit dieser Version nicht spielbar.

1998 kontrollierte Tec Toy in Brasilien mit dem Mega Drive und dem Master System bis zu 80 Prozent des Marktes durch die Veröffentlichung von SEGAs Systemen.

Auch AtGames schloss sich diesem Trend an. Das chinesische Unternehmen produzierte 2009 den Firecore – eine Mega Drive / Genesis Konsole mit einem Modul-Steckplatz ohne Region-Lock, zwei Controlleranschlüssen und 15 integrierten Spielen. Auch eine Handheld-Version bot das Unternehmen an. Blaze Europe brachte beide Systeme nach Europa.

Mit den Tätigkeiten vor seiner Zeit bei SEGA of America stellte Tom Kalinske bereits seine Fähigkeiten unter Beweis. Er baute die „Barbie“-Marke bei Mattel von einem 42 Millionen US-Dollar Brand zu einem Gewicht von 550 Millionen auf. Auch das insolvente Geschäft von „Hot Wheels“ führte er wieder in die Profitabilität. Außerdem entwickelte er die „He-Man: Masters of the Universe“ Reihe. Nach seiner Zeit als CEO bei Mattel heuerte ihn SEGA Japan Präsident Hayao Nakayama im Oktober 1990 an und bestätigte Jahre später, dass er viel erfolgreicher in den Vereinigten Staaten war, als sie es sich jemals in Japan hätten vorstellen können.

„…viele Jahre später vertrauten er und andere Vorstandsmitglieder mir an, dass wir in den Vereinigten Staaten weitaus erfolgreicher waren, als sie es sich jemals vorgestellt hätten.“
Tom Kalinske (2006, Interview mit sega-16.com)


Als CEO verhalf Kalinske SEGA of America zu einem Wachstum von 72 Millionen US-Dollar zu einem mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar Unternehmen. Die Marktkapitalisierung von SEGA als ganzes Unternehmen soll sich in Spitzenzeiten von weniger als zwei auf über fünf Milliarden US-Dollar erhöht haben. Mit der Übernahme von Bandai wollte sich SEGA schließlich zu einem japanischen Videospiele- und Spielzeughersteller Koloss formen und Marken wie Sonic the Hedgehog, „Tamagotchi“ und die bis heute in Japan produzierte und zu dieser Zeit sehr erfolgreiche japanische Spielzeugserie Super Sentai (hierzulande Power Rangers) unter einem Dach vereinen.

Zudem brach Kalinske mit seinen Ideen Nintendos Marktmonopol in Amerika auf. Der zwischen 95- und 100-prozentige Marktanteil sank kontinuierlich ab. SEGA produzierte selbst Spiele in Amerika und brachte Third-Party-Hersteller dazu, auch für andere Systeme zu entwickeln – ohne Konsequenzen durch Nintendo fürchten zu müssen. SEGA zeigte einen anderen und viel profitableren Weg, als es Nintendo mit seiner einschränkenden Lizenz-Politik vormachte. Außerdem etablierte SEGA Spiele mit mehr Gewalt im westlichen Markt – wodurch SEGA auch das erste Rating-System überhaupt bei Spielen einsetzte. Dieser Bruch zur bisherigen Linie verhalf nicht nur SEGA zu Marktanteilen. Nintendo konnte nie mehr einen solch immensen Marktanteil einnehmen und beherrschen. Man kann davon ausgehen, dass dieser Aufbruch auch den späteren Newcomern sowieso westlichen Entwicklern zu mehr Marktpräsenz verhalf. 

1997 heuerte Tom Kalinske bei LeapFrog an – vor allem für seine Lernsoftware für Kinder bekannt. Sega Toys lizenzierte 2002 die Produkte des Unternehmens und lokalisierte sie für den japanischen Markt. 

Im gleichen Zeitraum der letzten veröffentlichten Mega Drive Titel im Westen sagten SEGA und Bandai ihre im Oktober 1997 geplante Fusion zur SEGA Bandai Ltd. ab. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass SEGA den Spielzeughersteller komplett übernehme und somit einen großen Unterhaltungskonzern schaffe. Denn in Bandais Büchern stand ein Netto-Verlust von rund neun Milliarden Yen statt der angepeilten zehn Milliarden Gewinn. Der Verlust belief sich unter Berücksichtigung der Kurse im Jahre 1996 auf rund 123 Milliarden DM (etwa 6,1 Milliarden Euro). Ein Grund war der herbe Misserfolg der eigenen Konsole Pippin, die nach rund einem Jahr, 100.000 produzierten und rund 42.000 verkauften Einheiten wieder eingestellt wurde.

Im Mai 1997 wurde die Fusion abgesagt, als Widerstand in den Bandai-Führungsriegen aufgrund der unterschiedlichen Kulturen beider Unternehmen entstand. Ebenfalls ein Grund war der plötzliche Erfolg des Ende 1996 veröffentlichten Tamagotchi – das digitale Haustier wurde zu einem Welterfolg. Der Bandai-Präsident Makoto Yamashina übernahm die Verantwortung für das Scheitern und trat von seinem Posten zurück. Aber auch SEGAs Nakayama stimmte dem Abbruch infolge der finanziell schlechteren Situation zu, die sich mit der Fehleinschätzung auf dem amerikanischen Markt beim Übergang zwischen der 16-Bit Mega Drive und 32-Bit Saturn Ära auftat. Im Gegensatz zu Japan erzielte der SEGA Saturn im Westen keine Erfolge, verkaufte sich in Amerika im Verhältnis 1:3 im Vergleich zur PlayStation. Stattdessen schadete der gewählte Weg vom Mega Drive zum Saturn sogar die Beziehungen zwischen SEGA und den westlichen Händlern, Kunden und Third-Party-Entwicklern. Der Marktanteil im Westen gab nach, entsprechend änderte sich SEGAs finanzielle Situation. Infolge dessen – es wird vermutet, auch aufgrund der gescheiterten Fusion mit Bandai – trat auch Nakayama im Januar 1998 von seinem Posten als Präsident zurück. Diesen übernahm Shoichiro Irimajiri.

Das gemeinsame Unternehmen hätte einen Marktwert von 5,6 Milliarden US-Dollar gehabt: 3,6 Milliarden durch SEGA und zwei Milliarden durch Bandai. Aktionäre von Bandai hätten 0,76 SEGA Bandai Aktien für ihre Bandai-Aktien erhalten. SEGA Aktionäre sollten einen Eins-zu-Eins Tausch ihrer Aktien bekommen. Laut Yamshina entschied sich Bandai für SEGA als Fusionspartner, da er den amerikanischen Stil des top-down Managements entscheidend empfand, um sich dem verschärften globalen Wettbewerb zu stellen. Er war der Ansicht, dass SEGA hier einen Präsidenten mit einem starken Management hatte: Tom Kalinske


Interessant:

  1. Im September 2005 kaufte Bandai den japanischen Videospielhersteller Namco und fusionierte zu Bandai Namco Games. Hinsichtlich des erwirtschafteten Jahresumsatzes war die Bandai Namco Group seit 2017 weltgrößter Spielzeughersteller.

  2. Im April 2003 wurde bekannt, dass Namco mit SEGA fusionieren wolle. Das fusionierte Unternehmen sollte laut Namcos Fusionsangebot unter dem Namen SEGA weiterlaufen. Die Fusion kam nicht zustande. Ein möglicher Grund könnte auch die Übermacht im Arcade-Bereich gewesen sein. Entstanden wäre das größte Videospielunternehmen in Japan – größer als Nintendo, Konami oder das im selben Monat neu geformte Square-Enix.

„Obwohl wir Konkurrenten sind, glauben wir, dass der Zusammenschluss beiden Unternehmen hilft, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.“
(Namco-Sprecherin zum SEGA-Fusionsangebot im April 2003)

Überraschend könnte man den Release von „Beggar Prince“ im Mai 2006 bezeichnen. Das nordamerikanische Unternehmen Super Fighter Team veröffentlichte das chinesische Original aus dem Jahr 1996 lokalisiert im Westen. 2008 und 2011 folgten die Spiele „Legend of Wokong“ und „Star Odyssey“.




Andere Hersteller schlossen sich dem Trend an. WaterMelon, ebenfalls ein amerikanischer Hersteller, veröffentlichte das neu entwickelte Spiel „Pier Solar and the Great Architects“ im Dezember 2010. Mit „Fix it Felix Jr.“ folgte 2013 ein weiteres Spiel vom unabhängigen Entwickler Future Driver – inspiriert vom Disney Film „Wreck-It Ralph“, in dem auch SEGAs Sonic the Hedgehog eine Rolle einnahm. Ralph fuhr andersherum im SEGA Spiel Sonic & All-Stars Racing Transformed mit.

In den Jahren 2018 und 2019 folgten „Xeno Crisis“ und „Tanglewood“ – ein durch Kickstarter finanziertes Spiel. „Ultracore“ dagegen wurde vom damals noch unabhängigen Entwickler DICE (2006 durch EA übernommen) programmiert. Das Spiel wurde 1994 – fast fertig entwickelt – gecancelt. Der deutsche Publisher Strictly Limited nutzte ein originales SEGA Genesis Entwicklungs-Kit und beendete die Arbeiten am Spiel. Veröffentlicht wurde „Ultracore“ als Mega Drive / Genesis Modul im November 2019. 



Das Marketing, wie es SEGA of America in den 1990er Jahren betrieb, war bis dahin im Videospiel-Bereich praktisch undenkbar.

Die Kampagne war nicht nur wahnsinnig erfolgreich, sie beeinflusste auch das Marketing von Grund auf bei nachfolgenden Konsolengenerationen: den Show-Faktor, um ein Spiel oder das System selbst bei seinen Spielerinnen und Spielern zu bewerben. 

This is for the Players | PS4

Der Anfang dieser etwas bizarren Geschichte ist in den 1980er Jahren zu finden. Nach dem Videospiel-Crash holte sich Nintendo mit dem NES rund 95 Prozent Marktanteile. EA veröffentlichte Spiele zu dieser Zeit bevorzugt für den PC, wusste aber gleichzeitig, dass man den Heimbereich nicht länger ignorieren könne. Doch das Lizenz-Programm von Nintendo war kompliziert und teuer. Bing Gordon von EA kritisierte: „Nintendo war fast monopolisiert.“ Wie Gordon in einem späteren Interview erzählte, musste man nach Japan fliegen, wollte man als Unternehmen für den NES entwickelt. In Japan gab es Verhandlungen mit Nintendo und stimmte der Publisher zu, müsse man das Entwicklungs-Kit zu einem „lächerlichen Preis“ kaufen. Entwickeln konnte das Unternehmen nun Spiele, wobei Nintendo das letzte Wort darüber hatte, ob das Spiel tatsächlich produziert wurde – auf einem Modul. Gordon fragte entsprechend nach, dass sie viel Zeit in die Entwicklung eines Spiels stecken aber nicht wissen, ob sie es veröffentlichen könnten? Denn das Spiel müssten sie dann erst zu Nintendo nach Japan senden. Nintendo antwortete darauf: „Das ist richtig. Wenn wir entscheiden, das Spiel auf den Markt zu bringen, stellen wir es her und sagen Ihnen, wie viele wir produzieren. Sie zahlen uns die Hälfte der Kosten. Dann fertigen wir die Module, wenn wir es für richtig halten. Ist die Produktion in Japan beendet, zahlen Sie die zweite Hälfte der Kosten und wir veröffentlichen es...“

EA war nicht bereit, diesen – laut Aussage – Vertrag in Form einer legalen Erpressung unter dem Deckmantel der Lizenzvereinbarung einzugehen. Denn Nintendo könnte das Spiel ebenso aus den Regalen entfernen, wenn es ihnen nicht mehr in den Kram passte. Statt diese einseitige Beziehung einzugehen, suchte EA nach Alternativen. SEGA hatte in Japan gerade den 16-Bitter Mega Drive veröffentlicht, der schon bald auch nach Amerika kommen sollte. Und EA hatte bereits erfolgreiche 16-Bit Titel vom Commodore, Amiga und IBM-PC. EA war der Ansicht, dass der Mega Drive mit der eigenen Spielebibliothek eine gute Chance im Kampf gegen Nintendo haben würde – immerhin hatte das Master System keinen immensen Katalog an Games und nur einen Marktanteil von rund drei Prozent.

„Wir machen eine ganze Reihe von Spielen und ihr gebt uns eine andere Lizenz als Nintendo.“
(Bing Gordon, Electronic Arts)


Doch Michael Katz, zu dieser Zeit SEGA of America Präsident, hatte andere Pläne. Er wollte das Nintendo Lizenzsystem adaptieren und lehnte ein anderes Lizenz-Abkommen ab. Gordon blieb dran: „Mit der Unterstützung der Third-Party könnt ihr einen Großteil des Marktes erreichen. Ändert eure Regeln oder wir können keine Zusage [für Entwicklungen] machen.“ Diese Diskussion lief über mehrere Monate. Eine SEGA Führungskraft sagte laut Gordon abschließend wohl in etwa: „Wenn ihr einen anderen Deal wollt, macht ihr ein Reverse Engineering des Systems, ist es nicht so?“ Dies nahm EA wörtlich und beauftrage einige Ingenieure, die die Architektur der Hardware erfassten. Das Reverse Engineering, auch Back Engineering genannt, wurde unter der Leitung eines Rechtsberaters vorgenommen.

Steve Hayes und Kim Nitchals arbeiteten daran, das System quasi zu hacken. Nitchals konnte die Speicherposition übernehmen, EA hatte den Mega Drive im Griff. In den darauffolgenden Wochen entwickelte die EA-Hardware-Gruppe mehrere Reverse-Engineered Entwicklungs-Kits. EA fuhr schließlich die Produktion verschiedener Spiele für den SEGA Genesis hoch, ohne dass SEGA etwas davon wusste. Die große Enthüllung sollte auf der Consumer Electronic Show (CES) 1990 stattfinden. Sieben Titel hatte EA im Gepäck. Den Abend vor der Veranstaltung traf sich EA-Gründer Trip Hawkins mit SEGAs Hayao Nakayama und informierte ihn über das eigene Lizenzprogramm. Denn würde SEGA den Bedingungen EAs nicht zustimmen, würden sie dies fortsetzen. SEGA konnte nun als Konsolenhersteller einen erheblichen Teil des Gewinns verlieren, der mit der Lizenzierung einhergeht, während EA anderen Publishern bessere Angebote zur Herstellung machen könnte. SEGA gab nach. Indem EA dem Lizenzprogramm SEGAs zustimmte, durften sie im Gegensatz ihre eigenen Cartridges kostengünstiger herstellen. Diese besitzen einen gelben Streifen mit dem EA-Logo.

Erst später, so Gordon, stellte EA fest: Die Ingenieure hatten nicht alle Probleme umgehen können. Das heißt wiederum, dass SEGA die Möglichkeit gehabt hätte, EAs Spiele trotzdem zu blockieren. Auf der Videospiel-Veranstaltung wäre das ein PR-Fiasko für EA gewesen. Doch EA konnte noch im gleichen Jahr „John Madden Football“ veröffentlichen, was zur Killer App auf dem Genesis wurde und auch zukünftige Sportspiele veränderte. SEGA verhalf der starke EA-Support zum großen Erfolg des Mega Drive / Genesis in Amerika.