Visual Memory Unit
Kurz auch VMU genannt, stellt die Visual Memory Unit in erster Linie die Speichereinheit für Dreamcast-Spielstände dar. Zur Verfügung stehen dafür immer 200 Blöcke. Platz findet die Speicherkarte innerhalb der freien Slots in allen erdenklichen Controller-Peripherien: insbesondere Controller, Arcade Stick, Lightgun oder auch dem Race Controller.
Doch SEGAs VMU ist weit mehr als nur eine einfache Memory Card. Mit ihrer 8-Bit CPU, LCD-Display, Lautsprecher, den beiden Aktionstasten [A] und [B], zwei kleineren [Mode]- und [Sleep]-Knöpfen sowie dem Steuerkreuz stellt die Visual Memory Unit eine Mini-Konsole für unterwegs dar. Sie kann vollkommen unabhängig zur Dreamcast-Konsole bedient werden und verfügt wie die Heimkonsole selbst über eine interne Uhr. Synchronisiert werden kann diese im Optionsmenü der Konsole. Es ist nicht abzustreiten, dass SEGA den gegen 1996 aufkommenden Hype ‚Tamagotchi‘ nutzte, um ebenfalls ein Minigerät für unterwegs zu produzieren. Anders als Bandai, die aufgrund des Tamagotchi-Erfolges nicht mehr mit SEGA fusionierten, plante der Videospielriese aber kein elektronisches Haustier. Stattdessen strebte SEGA den Download von Minispielen auf die VMU an, um unterwegs beispielsweise Items zu generieren, die anschließend im Hauptspiel Verwendung finden. Bekannt dafür sind die Minispiele Chao Adventure (Sonic Adventure) und Pinta’s Quest (Skies of Arcadia). Ein Quiz über Verkehrszeichen gab es beispielsweise im japanischen Spiel Tokyo Bus Guide.
Die nur acht Zentimeter kleine Minikonsole verfügt am oberen Ende über eine abnehmbare Kappe, die unterwegs die Kontakte vor Schmutz schützt. Wird diese abgenommen, kann die Visual Memory Unit aber nicht nur in einen Controllerport gesteckt werden. Es lassen sich auch zwei VMUs miteinander verbinden, um Spielstände zwischen Freunden auszutauschen. Theoretisch sind in diesem Zug auch 2-Player-Möglichkeiten für ein gemeinsames Zocken von Minispielen auf den 48x32 kleinen Displays gegeben. Für den notwendigen Strom unterwegs sorgen im Jahr 1998, im Gegensatz zu den heutigen Akku-Standards, noch zwei CR-2032 Knopfzellen. Die Lebensdauer dieser ist eher kurz, weswegen Nachschub immer bereitliegen sollte. Im Gebrauch an der Konsole selbst werden keine Batterien benötigt.
Das LCD-Display und die Lautsprecher sind aber auch im Controller nicht nutzlos. Während des Spielens werden Charaktere, Items oder Hinweise angezeigt, teilweise Sounds abgespielt. Hervorzuheben sind hier beispielsweise Shenmue oder Tony Hawk’s Pro Skater. Bei Multiplayer-Spielen sind Hinweise dadurch nur für den jeweiligen Spieler sichtbar, nicht für den Spielgegner – darunter in Ready 2 Rumble Boxing oder Sonic Shuffle.
Der größte Kritikpunkt der VMU ist ihr knapper Speicher.
Die größte Kritik an den Visual Memory Units ist vor allem die geringe Speicherkapazität von nur 200 Blöcken (entspricht 128 KB). Im Jahr 1998 zum Release war dies für die meisten Spiele unproblematisch. Allerdings verbrauchten nicht alle Spiele nur wenige Blöcke für einen Spielstand. Verschiedene Spiele boten mehrere Spielstände in einer Speicherdatei an oder legten zusätzliche Dateien auf der VMU ab. So benötigt ein Soul Reaver beispielsweise 50 der insgesamt 200 Blöcke, ein Shenmue bereits 80 Blöcke oder ein Sonic Adventure inklusive dem Chao Minispiel mehr als 120 Blöcke. Um das japanische Spiel Rune Jade speichern zu können, bedarf es mit 198 Blöcken quasi den gesamten Platz einer Visual Memory Unit, die einst mit denselben Kosten zu Buche schlug, wie ein Standard-Controller: etwa 50 DM (ca. 25 Euro).
Für Abhilfe sorgten die 4x Memory Cards. Sie kamen ohne LCD-Display (und damit ohne Batterien) aus. Mit 512 KB verfügen diese über insgesamt 800 Blöcke. Der Nachteil an diesen 4x Speicherkarten ist allerdings, dass diese 800 Blöcke nicht zusammenhängend bestehen. Sie werden zwischen den vier verschiedenen internen Datenbanken hin- und hergeschalten. Das bedeutet im Umkehrschluss, Spieler besitzen hier 4x 200 Blöcke und können diese nur wie separate Datenspeicher nutzen. Eine interessante Form dieser 4x Speicherkarten boten Hersteller wie Innovation oder Nexus an. Deren ‚4 meg‘ Karten verfügen über einen (inzwischen vollkommen veralteten) LPT-Kabelanschluss für eine Verbindung mit einem PC. Spielstände sollten damit zwischen PC und Konsole übertragen und gesichert werden können.
SEGA war dabei, dem Speicherproblem entgegenzuwirken. Immerhin fanden auf der Visual Memory Unit nicht nur Spielstände ihren Platz. Dank Internet und Online-Gaming führten SEGA und andere Hersteller bereits Zusatzdownloads ein, die in Spielen genutzt werden können und bis dato nur auf den VMUs Platz fanden. Doch auch E-Mails, Anhänge oder Bilder konnten gesichert und zu jeder Zeit im internen Pop3-Mailprogramm wieder aufgerufen werden. E-Mails benötigten ebenfalls ab zwei Blöcken Speicher. SEGA arbeitete einerseits am Zip-Drive mit einem 100 MB Speichervermögen.
Aber auch eine neue Version der Visual Memory Card war in Planung, vor allem nachdem Sony mit der PS2 und deren 8 MB Speicherkarten in direkter Konkurrenz zur Dreamcast stand. SEGA stellte eine Visual Memory Unit mit 64 GB Speicherkapazität vor, die ebenso über einen Kopfhöreranschluss verfügt. Denn die neue VMU, die für unter 100 US-Dollar zur auf den Messen zur Schau stand, kann MP3-Dateien abspielen. Damit präsentierte SEGA im Frühjahr 2000 auf der ‚Milia 2000‘ in Frankreich sowie anschließend auf der ‚Tokyo Game Show 2000 Spring‘ die neue MP3-VMU. Anders als andere Hersteller mit dem MPMan F10 oder dem Rio PMP300, schuf der japanische Videospielkonzern einen tragbaren MP3-Player im Miniformat – in enger strategischer Partnerschaft mit dem Online-Musik Store MP3.com. Musik sollte über den Dreamcast Onlinedienst heruntergeladen oder ebenso mit dem Computer verbunden werden – vermutlich ebenfalls via Anschlusskabel ähnlich einer 4x VMU. SEGA gab bekannt, dass aber nicht nur Songs aus dem Internet geladen werden konnten. Die Dreamcast sollte dann in der Lage sein, eigene Musik-CDs auf die MP3-VMU zu kopieren. Zur E3 erwartete SEGA of America neue Details zum MP3-Player und weiterer neuer Peripherie bekanntzugeben. Ein Release war bis dahin für etwa September 2000 vorgesehen. Gerüchten zufolge wurde die MP3-VMU zusammen mit dem Dreamcast BBA und der Dreameye Digitalkamera Ende 2000 bis Januar 2001 in den Westen versandt. Mit dem Aus der Dreamcast Konsole im März 2001 wurde die MP3-VMU nicht mehr veröffentlicht. Übrigens: Ein ebenso kleines, tragbares MP3-Gerät für die Hosentasche wurde im Oktober 2001 durch den damaligen Apple-Chef Steve Jobs als iPod erstmals der technikbegeisterten Öffentlichkeit präsentiert und wurde zum Kultgerät.
Die normal erhältliche Visual Memory Card gab es dagegen in vielen verschiedenen farblichen Versionen, darunter transparent und passend zum Controller-Transparent-Design sowie in Special Editions beispielsweise zu Videospielen wie Sakura Taisen, Godzilla oder Resident Evil.
Der erste Konzern, der die Idee von SEGAs Visual Memory Unit sofort aufgriff, ist Sony mit der sogenannten PocketStation: eine Speicherkarte mit integriertem LCD-Display, Tasten, einer Echtzeituhr und Soundfunktionen. Die Speicherfunktion wird genutzt, indem die PocketStation in einen Memory Card Slot der PlayStation gesteckt wird. Untereinander können sich zwei PocketStation via Infrarot verbinden und damit Daten austauschen. Software-Spiele für die kleine Mini-Konsole befinden sich auf den PlayStation-Spielen, die von der Konsole aus auf die PocketStation geschoben werden. Veröffentlicht wurde die PocketStation im Januar 1999 exklusiv in Japan. Die Produktion endete im Juli 2002.
Nintendo übernahm die Idee der Datenübertragung der Heimkonsole auf ein tragbares Gerät ebenfalls bereits in derselben Konsolengeneration. Dazu veröffentlichte der Mario-Hersteller das Game Link Cable für GameCube und GBA. Damit wurde der Handheld zu einem Controller mit Bildschirm für den GameCube, konnte spezielle Inhalte in GC-Spielen freischalten oder diese auf den Handheld übertragen. Die Wii U greift das Thema Bildschirm auf dem Controller ebenfalls auf.
Auch Microsoft dachte 1999 über eine Mini-Speicherkarte mit LCD-Bildschirm nach und zeigte Jahre später einige Prototypen des ersten Xbox-Controllers, die denen des Dreamcast-Controllers ähneln. In Falle Xbox wurde die Idee jedoch verworfen.