SEGA und Marvel – erneut bringt uns der Deal im Jahre 2011 einen offiziellen Marvel Charakter auf unsere Konsolen: Donnergott Thor soll sich auf Leinwand und im Wohnzimmer gleichermaßen behaupten. Nicht zu verwechseln mit dem Film „Almighty Thor“, der ebenfalls dieses Jahr völlig unabhängig von Marvel erschien, greift aber auch das Videospiel nur zum Teil die Geschichte des offiziellen Films „Thor: God of Thunder“ auf. Denn im offiziellen Film wird Thor von seinem Vater Odin zur Erde verbannt. Das offizielle Videospiel baut auf solch eine Fehde gar nicht erst auf. Die Geschichte beginnt mit einer Invasion eisiger Krieger, der Jötunen. Zunächst müssten die Angreifer die Regenbogenbrücke überqueren und die großen und gut geschützten Tore Asgards durchbrechen. Bisher gelang das keinem. Doch nun schien der Tag gekommen, dass jemand mit einem gerissenen Plan dabei war, genau dies zu schaffen und mit dem Fall Odins alle neun Welten ins Chaos zu stürzen – so beginnt die Story in SEGAs Thor: God of Thunder.

Der Angriff startet, als Thor, Bruder Loki und Freundin Sif verschiedene Kampftechniken trainieren. Thor zieht sofort los, um die Truppen Asgards zu unterstützen. Hier steigt ihr als Spieler direkt ins Spielgeschehen ein und erlernt Thors erste Kampftechniken. Im Grunde beinahe in Hack & Slay Manier kloppt ihr euch nun durch einige größere und kleinere Gegnerscharen an Jötunen. Mit den Aktionstasten [X] bzw. [Viereck] je nach System, schlagt ihr am Boden oder nach einem Sprung auch in Luft zu. Euer Hammer Mjölnir kreist wie von Geisterhand hin und her und drischt auf die eisigen Widersacher ein. Combos entstehen hier zunächst völlig automatisch und können mittels der Magietaste - und damit mittels besonderem Angriff - abgeschlossen werden. Wichtig im Kampf sind aber auch Griffe. Kleinere Gegner können immer gepackt und danach geschlagen oder geworfen werden. Nach einem Griff sind diese verschiedenen Manöver mit drei verschiedenen Aktionstasten möglich. Größere Kontrahenten können nach einem Griff bis zu drei Mal direkt geschlagen werden, um sie zu bezwingen. Doch um einen Griff bei den größeren Konsorten überhaupt ansetzen zu können, müssen diese zunächst geschwächt werden, indem ihr deren Rüstung zerstört. Die normalen Angriffe von Thor, sowie seine magischen Fähigkeiten helfen euch hier weiter. Erscheint ein gelber Lichtpunkt am Gegner, nutzt die Chance eines Griffes! Im Eifer des Gefechts solltet ihr innerhalb des gesamten Spiels nicht vergessen, kleinere Gegner unbedingt per Griff zu besiegen, größere selbstverständlich ebenso. Der Grund ist so einfach wie auch bescheuert: nur so erhaltet ihr stets auch genügend frische Lebensenergie. Besiegt ihr Gegner auf „normale“ Art und Weise, erhaltet ihr zum Lohn meist nur frische Magiepunkte - auch Odinkraft genannt - und Attribute zum Aufbessern eurer Fertigkeiten. Beides nutzt allerdings nur herzlich wenig, wenn ihr dank fehlender Lebensenergie vorzeitig ins Gras beißt und euer Level nicht beenden könnt. Anbei verliert ihr hier alle eure gesammelten Attribute und daher auch eben noch neu hinzugefügte Fähigkeiten. 

Gleich zu Beginn des Spiels und nach einem ersten größeren Zwischengegner, wird Thors Freundin Sif getötet. Der Donnergott schwört Rache und will im gleichen Zug jeden Jötunen in ganz Niflheim auslöschen. Odin verbietet ihm allerdings den Weg ins eisige Reich. Da sich Thor in seinem Zorn davon dennoch nicht abbringen lässt, beginnt seine Reise im Land dieser Eiswesen, bis er dessen Anführer nach zahlreichen Kämpfen, Eiswinden und einigen zerbröckelnden Brücken hinter sich gelassen hat. Auch Bruder Loki steht ihm hier zur Seite; allerdings auf seine ganz eigene Weise. Er erzählt ihm von einer Waffe, die stark genug sei, um die gesamte Eiswelt, also Niflheim, zu vernichten. Als Thor noch innerhalb seines Kampfes gegen Ymir diese Waffe findet, setzt sein Gegner alles daran, ihn am Freisetzen dieser Waffe zu hindern. Seine Worte, diese gewaltige Waffe würde nicht nur Niflheim zerstören, sondern danach auch jede weitere der neun Welten, nimmt Thor im Eifer des Gefechts nicht ernst. Erst als Ymir innerhalb einer Feuerbrunst schmilzt und sich ein riesiges Wesen aus abermillionen Seelen erhebt und Rache an Odin schwört, begreift Thor. Doch es ist zu spät…

Da Loki ganz eigene Ziele verfolgt, bringt er Thor nicht zurück nach Asgard, sondern nach Wanaheim - das Reich der Trolle. Abgesehen von der Story hinter dem Videospiel wollen die Entwickler des Liquid Entertainments dem Spieler aber gewisse Spielelemente bieten, die ihn länger am Bildschirm fesseln sollen. Hierzu gehört insbesondere ein Level-Up-Prinzip, um verschiedene Fähigkeiten Thors zu verbessern. Einige Spieler dürfte das Prinzip sehr an „God of War“ für die PS2 und PS3 erinnern. Ihr erhaltet verbesserte Combofähigkeiten, Magiefertigkeiten erreichen eine höhere Durchschlagskraft oder Reichweite. Doch auch die eigene Lebensenergie und die Odinkraft werden erweitert. Zusätzlich findet ihr innerhalb des Spielverlaufs einige Embleme und Sammelobjekte, mit denen ihr unter anderem eure Energien erweitert. Manche dieser Objekte sind allerdings ein wenig versteckt, sodass ihr euch innerhalb der verschiedenen Ortschaften genauer umsehen solltet. Kristalle, Steine und mehr an allen Ecken sollten zerstört, Mauern erklommen und nach geheimen Wegen Ausschau gehalten werden. Oft verbergen sich hier entsprechende Items, die ihr für den weiteren Spielverlauf durchaus gebrauchen könnt. Denn eure Gegner sind nicht unbedingt schwach und besonders die Bossgegner verlangen oft sehr viel von euch ab. Andere Items schalten neue Kostüme oder Blitzfarben für Thor frei. Anbei sollte jeder Spieler in Thor: God of Thunder wohl unbedingt einen Rat beherzigen: das Spiel nicht im normalen Modus beginnen, sondern tatsächlich auf einfach. Hier habt ihr es nämlich nicht nur einfacher. Tatsächlich bauten die Entwickler das Spiel so auf, dass ihr euch nach und nach in härteren Schwierigkeitsstufen probiert und all eure bis dahin erworbenen Fähigkeiten und Verbesserungen übernehmt – zu vergleichen mit SEGAs Bayonetta. Beginnt ihr Thor auf „normal“, beißt ihr euch vermutlich an vielen Stellen die Zähne aus, da euch große Gegner mit etwa fünf oder sechs Treffern in die Knie zwingen, während ihr nur so drauf haut und deren Lebensenergie nur in Millimeterschritten schrumpfen seht. Das ist nicht nur Frust fördernd, das gesamte Spiel erscheint dadurch unausgeglichen und unfair. Gegen derartig mächtige Gegner kommt Thor ohne bereits aufgewertete Energieleiste oder sich von selbst erneuernde Odinkraft kaum an. Die Kämpfe gleichen denen eines David gegen Goliath. 

Frustig wird es aber vor allem auch, da die Steuerung nicht perfekt funktioniert und reagiert. Da Combo-Manöver auch die Magietaste benötigen, opfert ihr bei Nichtfunktionieren stets eure wertvolle Odinkraft oder gar eure völlig aufgeladenen Magiesegen. Da Thor über drei verschiedene magische Fertigkeiten verfügt, nutzt er diese in verschiedenen Situationen auch völlig anders: Blitz, Donner, und Wind! Ihr könnt eure Gegner umpusten, sie mit Blitzen angreifen oder einen Donnerwelle auf sie abfeuern. Die Donnerwelle oder eigentlich Donnergraben genannt, gräbt sich unterirdisch entlang. Sie zerstört Rüstungen und erreicht auch Feinde, die sich hinter einer für euch unerreichbaren Wand befinden. Winde dagegen löschen Feuer oder lösen feindliche Eiswinde auf. Für jeden dieser magischen Fähigkeiten steht euch ein entsprechender Superschlag bereit, für den ihr einige Sekunden die Magie-Taste gedrückt halten müsst. Wechseln könnt ihr diese Fähigkeit zu jeder Zeit mit dem Steuerkreuz. Nützlich sind diese aber nicht nur bei Gegnern und Endkämpfen, sondern auch für eure verschiedenen Nebenaufgaben im Spiel. Jede der fünf Gebiete gibt euch spezielle Miniquests vor, die ihr im Pausen-Menü unter dem Begriff „Heldentaten“ findet. Manche dieser Aufgaben werden völlig normal durch den Storyverlauf erreicht. Andere wiederum müsst ihr euch verdienen. Hierzu zählen relativ einfache Sammelaufgaben oder das Bezwingen eurer Gegner auf eine ganz spezielle Art. Weitere Aufgaben sind dagegen etwas schwieriger. Beispielsweise sollt ihr eine Eishöhle durchqueren, ohne einen Treffer zu kassieren, innerhalb eines Zeitlimits spezielle Vorgaben erledigen und so weiter. Für erfüllte Aufträge wie 25 Gegner durch Griffe erledigen, fünf Projektile zurückschleudern und mehr erhaltet ihr weitere Attribute, die ihr gegen neue Fähigkeiten für euren Donnergott eintauschen könnt. Erledigt ihr alle Miniquests in einem Gebiet, gibt es zusätzlich Gamerscore bzw. Trophäen. Um diese Miniquests zu erfüllen, müsst ihr aber auch jedwede Steuerungsmöglichkeit beherrschen, wie sie euch im Spiel erklärt wird. So dienen die hinteren Schultertasten zum Blocken von Angriffen oder dem Hammerwurf, mit dem ihr Gegner und Gegenstände aus der Ferne angreifen könnt. Drückt ihr den rechten Ministick, beginnt Thor seinen Hammer zu schwingen. Setzt ihr an dieser Stelle den Hammerwurf ein, könnt ihr einige gegnerische Attacken beenden aber auch mit weitaus kräftigeren Schlägen aus sicherer Entfernung angreifen. Zugleich fordert euch dies aber Einiges an Odinkraft. Da stärkere Gegner genau damit aber leichter und besser zu bezwingen sind, wirkt sich die Entwicklung der Fähigkeiten für härtere Schwierigkeitsstufen hier wieder direkt auf das Gameplay aus: Verfügt ihr über mehr Energie und Kraft, könnt ihr zugleich gegen härtere Gegner antreten. Im gleichen Modus ist ein schwächerer Thor gezwungen, mit weniger Energien und Kampfeskraft den Nahkampf zu suchen: ein nur schwer zu gewinnendes Unterfangen.

Die Welten selbst sind grundverschieden. Anders als beim meist eintönigen Kampf mit immerwährend gleichen Moves, gibt es hier stets völlig andere Ortschaften zu erkunden. Asgard mit seinen Türmen und Plätzen zeigt die Pracht eines großen Herrschers. Das Sumpfgebiet mit seinem großen Fluss spiegelt dagegen einen abgeschiedenen Ort vergessener Tage wieder. Niflheim ist ein verschneites und völlig vereistes Gebiet: Höhlen, eisige Stürme und glitzernd-schimmernde Flüsse bringen nichts als Kälte zum Vorschein. Ganz anders präsentieren sich die vulkanischen Gebiete in Muspelheim: feurige Gegner, Lavaströme und schwarz-verbrannte Höhlen. Zumindest hier bieten die Entwickler etwas Abwechslung, zumal es verschiedene Aufgaben innerhalb der Story selbst zu meistern gibt: hier ein Kraftfeld ausschalten, dort ein Beast durch den Fluss kontrollieren, diverse Schalter finden und betätigen, Energiezellen ausfindig machen und mehr – insgesamt aber alles keine großen Aufgaben und stets ein Laufen von A nach B.

Technisch gesehen bietet Thor: God of Thunder allerdings nichts, was auch nur annähernd beeindrucken kann. Altbackene und nur zweckmäßige Grafik, Schlieren, teils leichtes Tearing und öde, ungenaue Steuerung. Die Sprachausgabe fesselt weder im deutschen, noch im englischen. Zudem gibt es zwei völlig voneinander unabhängige Soundspuren. Zum einen die normal während des Spiels abgegebenen Kommentare und Szenen und zum anderen die Zwischensequenzen. Letztere dröhnen viel lauter und zudem kratzend durch die Lautsprecher. Ab und an nerven kleinere Ruckler und auch so manche Quick Time Events im Spiel sind unter aller Würde. Sollen diese angewandt werden, müsst ihr dessen Reihenfolge auswendig kennen, um bei der Ausführung Erfolg zu haben. Dass Thor grafisch bzw. generell technisch so unausgereift ist, kann man bei einer Ankündigung im Jahre 2007, es werde ein Thor Videospiel in Zusammenarbeit mit Marvel  entstehen, nicht verstehen. Inwiefern die Unreal Technologie von Epic Games hier Einsatz findet, fragt man sich ebenso. Die PS3-Version läuft zudem abermals nur mit 720p, das Xbox 360 Spiel kommt mit vollen 1080i/p daher. 

Eigentlich erscheint Thor als (noch) recht interessanter Charakter: ein Donnergott im Kampf gegen böse Dämonen. Doch obwohl das God of War ähnliche Prinzip samt Aufwertungsmöglichkeiten sehr interessant erscheint, wurde dies nur halbherzig umgesetzt. Das liegt vor allem an der schwachen, trägen und nicht immer optimal reagierenden Steuerung. Hier werden Griffe nicht korrekt eingesetzt, der Spieler greift ständig irgendwo daneben und kriegt danach eins auf die Mütze. Dadurch kann beispielsweise den sich oft wiederholenden Endgegnern nicht der entscheidende Schlag verpasst werden. Magie wird dank nicht reagierenden Combos unnütz verbraucht oder Thor springt am Ende einer Kante einfach nicht ab. Träge Reaktionen des Helden steuern den Rest bei, damit das Kampfsystem in manchen Kämpfen zur Farce wird. Technisch ist das Spiel auch eher schlecht, die Grafik ist gerade mal zweckmäßig. Einzig die verschiedenen Welten und Levels können hervorgehoben werden, da sie sich sehr voneinander unterscheiden. Beginnen sollte jeder Spieler allerdings unbedingt auf der leichtesten Schwierigkeitsstufe, da sich das Spiel hinsichtlich von Fähigkeiten und Fertigkeiten aufbaut und diese in einem höheren Schwierigkeitsgrad nach dem Beenden des Spiels übernommen werden. Erst dadurch sind viele Erfolge möglich, nachdem ihr alle Fähigkeiten, Combos und Verbesserungen erhalten habt. Beginnt ihr ohne diese das Spiel bereits auf „normal“, sind Endgegner übermächtig, die Kämpfe und das gesamte Spiel nur noch unfair. Das Spiel wird hier zum reinen Alptraum ohne jedweden Spaß. Frust regiert den Spielverlauf mit vielen unschönen Spielabschnitten, sodass man mit dem Hammer „Mjölnir“ eigentlich nur noch eins zertrümmern mag: die DVD bzw. Blu-Ray. Wer dagegen auf „einfach“ beginnt, kann daher durchaus etwas Spaß am Titel haben. Ob man gewillt ist das Spiel (mit völlig dämlichen Ende) danach nochmal durchzuspielen, muss aber jeder für sich selbst entscheiden. Ausschlaggebend hierfür sind dann wohl tatsächlich nur weitere Trophäen oder Gamerscore. Dieses Spielaufbau-Prinzip, wie der Spieler stets mehr hinzuverdienen kann und dem Spiel dadurch mehr abgewinnen kann, als man zunächst erahnt, ist eigentlich der einzige plausible Grund meiner Bewertung. Nachdem ich das Spiel auf meiner Xbox 360 im normalen Modus begann und das ganze Spiele über die DVD nur aus dem Fenster werfen wollte, sollte hier eigentlich die schlechteste Bewertung überhaupt stehen. Das Spiel auf der PS3 im leichten Modus noch einmal zu beginnen und das Aufbau-Prinzip auf diese Weise noch einmal zu betrachten und zu entdecken – dies auch im direkten Vergleich zur bereits gespielten Xbox 360 Version – verbessert die Bewertung dann immerhin um eine Bewertungseinheit. Denn das Spiel ist plötzlich spielbar(er) und der Gedanke dahinter macht Sinn. Wirklich empfehlen kann ich Thor: God of Thunder insgesamt aber trotzdem keinem. Zumindest nicht über 5 Euro hinaus…


Verschont seine Spiele-DVD gerade so vor Mjölnir:
Ronny Wecke

Thor: God of Thunder
Launch Trailer

Thor: God of Thunder
VGA: Video Game Awards Trailer