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Noch nie hat ein Horrorspiel der nächsten Generation so viel Aufsehen erregt. Die Internet-Foren überschlugen sich förmlich mit Meldungen, Meinungen und Kritiken zu diesem Ausnahmetitel. „Sieht doch scheiße aus!“, „DAS soll NextGen sein?!“, „Das Monster hat eckige Polygone!“ ... Um nur ein paar der Kritikpunkte zu erwähnen. Und für wahr: Die ersten Bilder sahen wirklich nicht schön aus. Aber dann erschienen nach und nach einige Filmchen, und siehe da: In Bewegung sieht Condemned fantastisch aus! Mehr noch: Sowohl die beklemmende Atmosphäre, die Licht-Spielereien und die kranken Gegner ließen das Herz eines jeden Videospieler frohlocken. So gut wie jeder potenzielle Xbox 360-Käufer setzte Condemned auf seine Einkaufsliste. Doch dann ließ Microsoft die Bombe platzen: Da Condemned explizit mit Gewalt, Blut, Angst und einer derart verstörenden Atmosphäre spielt, sahen sich Microsofts Jugendschützer gezwungen, Deutschland vor diesem Titel zu bewahren. Sprich: Kein Deutschland-Release. Katastrophe? Anarchie? Sodom und Gomora? Nicht wirklich. Holt euch die UK-Version, die EU-Version aus Österreich, aus der Schweiz oder sonst woher! Sogar die deutsche Gameskette „EB Games“ (GameStop) verkauft den Titel ganz normal im Laden, also nichts wie hin!

Zur Hintergrundstory sei nicht zu viel verraten: Ihr schlüpft in die Rolle des FBI Agenten Ethan Thomas - einem routiniertem Cop, der mit einer speziellen Gabe bedacht wurde. Spezielle Gabe? Ich sag nichts, findet es selbst heraus! Zu Beginn des Spiels erreicht ihr einen Tatort. Der Serienkiller „Matchmaker“ hat zugeschlagen. Er tötet junge Frauen auf brutalste Weise und arrangiert ihre toten Körper mit männlichen Schaufensterpuppen in gruselig-romantischen Szenen. Ihr trefft auf zwei eurer Kollegen und untersucht den Tatort, als ihr plötzlich Rauch wahrnehmt... und so nimmt die Action ihren Lauf. In der Ego-Perspektive erkundet ihr Areale, bekämpft die menschlichen Monster und löst kleinere Rätsel. Nur in den Zwischensequenzen wird die Ego-Perspektive verlassen. Klingt für ein Horrorspiel ungewöhnlich, sorgt aber ungemein für Stimmung. 

Trefft ihr auf einen oder mehrere Gegner, solltet ihr euch zur Wehr setzen. Dafür stehen euch als FBI-Agent aber nur selten Schusswaffen zu Verfügung. Aber dafür viele Schlagwaffen. Bedient euch der Umgebung: reißt Rohre, Bretter, Äxte, Brecheisen und ähnliches von der Wand oder hebt sie vom Boden auf. Was abwechslungsreich klingt, wird aufgrund des stumpfen Kampfsystems eine monotone Angelegenheit. Denn der gute Ethan ist alles andere als ein guter Kämpfer. Er schwingt jede Waffe auf dieselbe Weise. Jeder Schlag sieht gleich aus! Combos sind mit beispielsweise mit einem Rohr möglich... hier hat Condemned meiner Meinung nach Nachholbedarf. Einzig und allein der Taser - ein Elektroschocker - bringt eine frische, witzige Komponente in den Kampf. Es klingt unheimlich komisch, wenn ein psychopathischer Killer schreiend bzw. eher quietschend zu Boden geht. Allerdings gibt es vier „Fatality“-Moves, die ihr über das Steuerkreuz des Controllers einsetzen könnt. Möglich wird dies, wenn ein Gegner vor euch auf dem Boden kniet. Diese Moves sind recht brutal und töten euren Kontrahenten bspw. durch Genickbruch. Man könnte jetzt sagen, dass dieses Finisher nett anzusehen sind. 

Was aber macht das Spiel aus? Ihr begebt euch stets durch dunkle Räume in bspw. einem seit Jahren verlassenen Gebäude. Hier geht in der Regel kein Licht. Überall liegt Müll herum, es ist düster und die durch die Fenster strömenden Lichtstrahlen des Mondes erzeugen Schatteneffekte von Gegenstände aber auch Personen. Blitze zucken auf, ihr seht Umrisse, die kurz darauf wieder verschwinden. Ihr wisst, irgendetwas ist in dem Raum, ihr werdet beobachtet. Ihr hört ein Geräusch ... und gegebenenfalls stürmt plötzlich ein Irrer auf euch zu und schlägt mit einem Brett auf euch ein. Diese Horror-Szenen folgen euch während eines gesamten Levels und lassen euren Blutdruck in die Höhe schnellen. Übrigens, Schlüssel gibt es im ganzen Spiel nicht: Entweder könnt ihr sie normal öffnen oder ihr schlagt sie mit einem Hammer ein. Andere brecht ihr mit einer Schaufel auf. Seltsam ist dabei nur eins: Wieso kann ich mit einer Schaufel ein Schloss aufschlagen, aber mit einem Vorschlaghammer nicht? Wieso kann ich mit einer Axt eine Tür einreißen, die andere aber nur mit einem Brecheisen? Dies liegt an den vordefinierten Gegenständen, die ihr zum Weiterkommen erst suchen und dadurch bestimmte Räumlichkeiten, Gänge und Gebiete aufsuchen müsst. 

Mit viel Liebe zum Detail wurden auch die Figuren designt: So versucht ein Gegner sein verbranntes Gesicht mit Frischhaltefolie vor dem Verfall zu bewahren. Der andere hat anscheinend gebrochene Beine und kriecht abartig über den Boden. Ich will hier nicht zu viel verraten. Aber jeder Gegner hat scheinbar seine eigene interessant-ekelhafte Geschichte hinter sich. Ganz allein seid ihr in Condemned aber Gott sei Dank nicht. Mit eurem Videotelefonie-fähigem Mobiltelefon - immerhin noch kein Smartphone - sendet ihr Beweismaterial zur Analyse ins Labor. Nämlich zu eurer Kollegin Rosa. Diese steht euch im ganzen Spiel bei, egal was auch kommt. Sie ist die einzige verlässliche Konstante im ganzen Spielablauf. Müsst ihr einen Tatort untersuchen, wird eine Bildschirmnachricht eingeblendet. Auf Knopfdruck schnappt sich Ethan das passende Gerät und ihr könnt eure Umgebung genauestens unter die Lupe nehmen. Indiz gefunden? Ab damit zu Rosa! Wie in jedem Horrorspiel besitzt ihr zudem eine Taschenlampe. Diese ist in Condemned auch bitter nötig. Denn nicht selten stellt sie die einzige Lichtquelle dar. Genau hier lässt die Xbox 360 ihre Hardwaremuskeln spielen: imposante Lichteffekte durchziehen die dunklen Areale, Glas und Spiegel brechen das Licht an jeder Ecke. Wunderschön! Wie zu Anfang bereits geschrieben, sahen die ersten Bilder von Condemned nicht gerade berauschend aus. Nachdem das finale Spiel nun veröffentlicht wurde, muss ich aber sagen: Condemned ist ein absoluter Leckerbissen! Das Spiel fährt ein Grafikfeuerwerk der Extraklasse auf. Geniale Texturen, hoher Polycount und die Lichteffekte sind sowieso ein Meisterwerk und schocken euch oft an vielen Stellen des Spiels. Schön schaurig, was da abgeht. 

Schöne Grafik allein macht aber nicht alle Makel wett. So ist das Leveldesign höchstens oberes Mittelmaß. Condemned unterteilt seine insgesamt zehn Kapitel in lineare, aber durch die Dunkelheit sehr unübersichtliche Level. Da man aber leicht den richtigen Weg findet - Schutt etc. versperrt falsche Wege - ist sogar die fehlende Karte verschmerzbar. Zeit, um auf eine Karte zu gucken, hättet ihr eh nicht. Erschreckt ihr nicht gerade vor eurem eigenem Schatten, so müsst ihr damit rechnen, das hinter jeder Ecke ein bekloppter Psychopath wartet. Aber nicht nur hinter den Ecken warten die Irren: Wie in keinem Horrorspiel zuvor agieren die Kontrahenten durchaus intelligent. Sie sind nicht nur dumme, aggressive Gewalt-Klumpen. Nein, sie verstecken sich geschickt in Schränken, hinter Säulen und in der sicheren Dunkelheit. Und diese bringt eben dann doch die Atmosphäre mit sich. Wenn ihr mit Schaufel und Taschenlampe in euren Händen durch Gänge lauft, plötzlich kleine Horror-Sequenzen eingeblendet werden und ihr fremde Gestalten irgendwo an Fenstern seht, dann ist das schon beeindruckend. Man fühlt die Anspannung in den eigenen Adern und läuft nur vorsichtig um jede Ecke. Hinter jeder Säule könnte sich jemand verstecken und plötzlich hervor gesprungen kommen. Dabei rutscht einen schon mal das Herz in die Hosentasche. Schnell muss hier reagiert werden, um gegnerische Schläge zu blocken. Geht eure Gesundheit zur Neige, färbt sich der Bildschirm rot und ihr startet am letzten Checkpoint. 

Unterstrichen wird diese kranke Atmosphäre von dem bombastischen Klang. Jeder Schritt, jede Nadel, jeder Atemzug ist hörbar. In brenzligen Situationen wird sogar euer Herzschlag laut... richtig laut! Ihr hängt an eurem Leben, im wahrsten Sinne des Wortes. Hintergrundmusik gibt es selten, so zum Beispiel eine ziemlich kranke Weihnachtsmusik im Kaufhaus. In Schulen, der Bibliothek oder der U-Bahn wurde auf Musik verzichtet. Klar, welche Bibliothek spielt schon Musik? Dolby Surround wird natürlich auch unterstützt, und ist meiner Meinung nach sogar zwingend notwendig. Denn so wird diese beklemmende Atmosphäre noch einmal richtig gut verstärkt.

 

Wunderbar! Atmosphärisch gesehen ist Condemned grauenhaft... grauenhaft unheimlich. Aber auch grauenhaft schön. Grafik, Sound und Präsentation greifen perfekt ineinander und sorgen für ein stimmiges Gänsehaut-Feeling. Noch nie zuvor hatte ich solche Angst in einem Spiel... oder im echten Leben. Alles um einen herum ist dunkel, ohne Taschenlampe geht so manches Mal fast nichts. Irre und Bekloppte stecken gefühlt hinter jeder Ecke oder wollen einen zum Narren halten. Da rennt plötzlich einer von links nach rechts über den Gang und ist von jetzt auf gleich aber auch wie in Luft aufgelöst. Ein Drehstuhl rollt über den Boden und sagt, hier ist irgendwo jemand. Vielleicht kann man ihn sogar schon hinter einer versperrten Tür sehen, der direkt los rennt - zu euch? Wer weiß das schon? In all dem Horror-Szenario werden aber nicht nur ein Serienkiller gesucht und mit zusätzlichem Polizei-Gerät Spuren untersucht. Auch Krähen gibt es überall zu entdecken, für die ihr nicht zuletzt Gamerscore bekommt. Schlagen, schießen, tasern und gar treten sind erlaubt, Hauptsache am Leben bleiben. Das erscheint einem als Spieler manchmal wichtiger als die Aufklärung der Morde. Uneingeschränkte Kaufempfehlung für Anhänger des Horrorgenres und die, die es werden wollen. Allen anderen aber auch. 


Hockt mit Taschenlampe ängstlich hinterm Sofa:
Sebastian Wieck