Dreamcast -- The Typing of the Dead (US)

Warum beim Spielen eigentlich immer einen stinknormalen Controller benutzen? Diese Frage haben sich wohl auch SEGAs Entwickler von Smilebit gestellt, kurz bevor sie dieses Spiel auf die Beine stellten. Die Inspiration kam vom hauseigenen Titel "The House of the Dead 2". Denn dieses wurde ein wenig umprogrammiert, um ein neues und dennoch vollkommen anderes Spielprinzip zu schaffen. Und dieses kann sich durchaus sehen lassen. Und gleich vorne weg: Um dieses Spiel spielen zu können, benötigt ihr eine Dreamcast-Tastatur. Zombies, wie man sie nur zu gut auch aus "Resident Evil" kennt, krauchen überall umher. Sie töten auch noch die letzten unschuldigen Passanten und stöhnen, dass sich die Balken biegen. Waffen gibt es leider keine. Das liegt aber am neuen Spielprinzip. Smilebit hat also alle Schusswaffen wegrationalisiert, weswegen ihr euch mit anderen Hilfsmitteln zur Wehr setzen müsst. Als erstes wird euch die Dreamcast-Konsole auf den Rücken geschnallt. Die Dreamcast Tastatur bekommt ihr in Magenhöhe umschnallt. Sobald alles perfekt sitzt, kann es auch schon losgehen. Ach ja, bevor ich es vergesse, ihr seid übrigens Gary - der Hauptcharakter in diesem tödlichen Gruselabenteuer.
Und schon sind wir bei der nächsten Frage: Wie schätzt ihr euch eigentlich im Umgang mit einer Tastatur ein? Tippt ihr euch seit Jahren per Zweifinger-Suchsystem die Finger wund? Oder setzt ihr eure Schreibmaschinen-Skills nicht nur täglich perfekt am Arbeitsplatz sondern auch privat Zuhause ein? Im Grunde ist das egal, denn SEGA hat da seinen ganz eigenen Stil. Daher rate ich dringendst, euch eine geeignete Position im Sitz zu schaffen, die Augen kräftig aufzureißen und zudem den Schwierigkeitsgrad nicht sofort auf "Very Hard" zu stellen. Beginnt besser zunächst mit "Very Easy" und lasst euch von Nichts und Niemandem ablenken. Vergesst zudem nicht, eure Continues und alle anderen Versuche auf Maximal zu schrauben und wählt einen der vielen verschiedenen Modi. In denen könnt ihr entweder mit dem Spiel beginnen oder euch mit der Tastatur vertraut machen. Wie das geht? Ganz einfach, ihr wählt den Menüpunkt "Tutorial-Mode". Hier hat sich SEGA etwas ganz besonders einfallen lassen. Denn wem bislang Zeit oder Geld fehlten, darf hier einen exzellenten Schreibmaschinen-Kurs absolvieren. Eingeteilt ist dieser in fünf verschiedene Bereiche. Und das völlig kostenfrei! SEGA erhebt auf diesen Kurs keine weiteren Gebühren!

Um das Ganze mal kurz vorzustellen: Lesson 1 beginnt mit den "Grundlegenden Fingerbewegungen". Hier wird genau erklärt, wie ihr eure Finger auf der Tastatur zu positionieren habt und welche Finger für welche Tasten zuständig sind. Dabei wird eine Tastatur abgebildet. Die hier zu drückenden bzw. mit den Fingern zu erreichenden Tasten sind farblich gekennzeichnet und reagieren mit jedem Druck. Nachdem alles erklärt wurde, dürft ihr diese Bewegungen zuerst ausführen und euer Gelerntes danach in einem kurzen Zombie-Abschusstest umsetzen. Die fünf unterschiedlichen Bereiche dieser Lernübungen beziehen sich im weiteren Verlauf aber nicht nur auf einzelne Buchstaben. Euch werden natürlich auch alle Zeichen und das Schreiben mit beispielsweise der Shift-Taste erklärt. Um einen Bereich zu bestehen, müsst ihr den Zombie-Test in einer bestimmten Zeit vollenden. Bei Bedarf können die am schlechtesten getroffenen Tasten gesondert geübt werden. Schwierigkeiten haben wir europäischen Zocker dieses Imports dann, wenn wir eine in unserem Land gekauften Tastatur einsetzen - in diesem Fall eine deutsche Tastatur. "The Typing of the Dead" wurde hierzulande nie veröffentlicht. Wer die US-Version spielt, sollte sich möglichst auch eine amerikanische Tastatur zulegen oder sich die amerikanische Anordnung einigermaßen merken. Wer jetzt - wie ich - nur über eine deutsche Tastatur verfügt, kann allerdings trotzdem eine ganze Menge Spaß haben. Denn langweilig wird es keinesfalls.

Spätestens nach dem Schreibmaschinenkurs kann es losgehen. Zwei Modi stehen euch zur Verfügung: der Arcade Modus und der Original Modus. Eigentlich sind beide genau gleich, bis auf einen Unterschied. Der Dreamcast exklusive Modus besitzt noch zwei kleine Erweiterungen. Hier könnt ihr verschiedene Items gewinnen, die auf die ersten vier F-Tasten gelegt werden. Dadurch sind sie auch wunderbar einsetzbar. Am Ende eines Levels werden sämtliche Bedingungen bewertet. Bei Erfüllung dieser gibt es Münzen. Und mit diesen könnt ihr weitere Bonus-Gegenstände ergattern. Das eigentliche Spiel beginnt direkt auf unbewohnten Straßen und Gassen - ganz wie das Ur-Spiel "The House of the Dead 2". Während die Zombies auf euch zustapfen, zückt nun aber keine Lightgun und versucht sie abzuschießen. Stattdessen werden an ihnen zuerst verschiedene einzelne Buchstaben, wenig später Wörter angezeigt. Ihr müsst nun nichts weiter tun, als alles schnellstmöglich abzutippen. Und zwar noch bevor ihr eine über den Latz gezogen bekommt. Mit jedem richtigen Tipper auf die Tastatur, feuert ihr einen Schuss auf den entsprechenden Zombie ab, so vernehmen es zumindest eure Ohren. Die ersten Wörter sind hier beispielsweise "bus", "ok", "steam" oder "taxi". Habt ihr ein Wort angefangen zu schreiben, könnt ihr kein anderes Wort beginnen, bevor dieses nicht fertig geschrieben und somit der Zombie erledigt wurde. Allerdings könnt ihr, sollte ein gefährlicher Zombie vor euch bereits lächelnd mit seinem Messer fuchteln, den Visor per Druck auf die Esc-Taste abbrechen und somit zu einem anderen Zombie wechseln. Dabei werden allerdings die bereits eingetippten Buchstaben eines Wortes zurückgesetzt.
Bis hierhin mögen viele sagen, ist doch easy! Ein paar Buchstaben und Wörter wird man ja wohl noch schreiben können. Klaro, das hab ich mir auch gedacht. Allerdings nur bis zu dem Moment, an dem entweder eine bestimmte Anzahl an Zombies innerhalb eines Zeitlimits besiegt werden müssen oder so manch um Hilfe schreiende Person gerettet werden will. Hier bemerkt man bereits im Schwierigkeitsmodus "Easy" sehr schnell, was man schreiberisch so drauf haben sollte. Es bleibt nämlich nicht viel Zeit, erst die Tasten auf der Tastatur zu suchen. Ihr sucht nicht? Mag sein. Aber schon ein klitzekleiner Blick auf die Tastatur, damit nicht neben den Buchstaben gehackt wird, ist fast unmöglich. Also entweder man weiß, wo sich die Tasten befinden - schließlich gab es zuvor einen kostenfreien Schreibmaschinenkurs - oder die armen Leute haben Pech gehabt. Anstrengen solltet ihr euch trotzdem, denn die netten Leute geben euch meist etwas sehr Nützliches. Da ihr mit ein paar Lebenspunkten recht spärlich ausgestattet seid und ein Treffer euch sofort einen Punkt abzieht, helfen euch die Items nämlich oft aus. Die Jagd auf unschuldige Bürger ist meist sehr spannend in Szene gesetzt. Nicht nur, dass sie ganz plötzlich vor einem her rennen. Nein, da hängt eine Dame an einem kleinen Übergang über euch und ein Zombie ist dabei, ein Fass auf sie zu werfen. Habt ihr mit euren Lightspeed-Fingern diese Situation gemeistert, geht anschließend natürlich noch eine Tür auf und der nächste Untote stürmt auf sein Opfer zu. Nicht nur, dass man die Tastatur hier niemals aus den Händen legen sollte, auch die ständige Ausgangsposition auf dieser - Achtung: Schreibmaschinenkurs - ist daher wichtig!

Obwohl die verschiedenen Levels praktisch ständig auf die gleiche Art und Weise weitergehen, bleibt die Spannung beim Tippen immer erhalten. Dies geschieht nicht nur durch immer verrücktere Wörter wie "amaryllis" oder "jealousy". Es geht auch in erste (noch) einfache Wortgruppen über: "I hate you", "Do I smell?" oder "That's my boy" sind nur drei Beispiele von vielen. In jedes Level gehört natürlich auch ein Endgegner. Und besonders diese haben es in sich. Klar, sie wurden ebenfalls von "The House of the Dead 2" übernommen, schließlich hat man hinsichtlich Leveldesign oder Gegner alles übernommen. Smilebit dachte sich hier aber immer wieder etwas wirklich Großartiges aus. Man mag meinen, nur die Wörter und Wortgruppen werden schwieriger und gemeiner. Aber nein, es gibt noch zahlreiche andere Tücken in diesem Tipp-Horror-Spiel. Während ein erster Gegner nur buchstäblich abgetippt werden muss, verlangen spätere Exemplare schon ganz andere Maßnahmen. Sie springen beispielsweise auf euch zu und nur innerhalb weniger Sekunden muss etwas abgetippt werden. Wenn euch dabei aber stets zwischendrin eine kurze Pause eingeblendet wird und daraufhin eure Tastatur kurzweilig nicht reagiert, sieht die Sache schon ein klein wenig anders aus. Hier kann fast schon Stress beim Schreiben aufkommen. Vollständige Sätze will dann ein ziemlich flink laufender Riesenbrocken von euch sehen. Durch Gassen hindurch könnt ihr nur den Rückwärtsgang einschalten und müsst euch vor seiner Kettensäge in Acht nehmen. Ein anderes Monster ist ganz besonders hinterhältig: Nur ein Tippfehler und ihr kriegt eine gepfeffert, dass euch sonst was weg fliegt. Ein kleiner, großer Höhepunkt war für mich das dreiköpfige Ungetüm. Man denkt, auch hier muss einfach nur etwas abgeschrieben werden - aber weit gefehlt. Hier werden euch plötzlich Fragen gestellt: "Something you do before you go to bed?" (Etwas was du machst, bevor du zu Bett gehst?) Und nun? Jeder Kopf hält eine Antwort parat. Ihr müsst die richtige Antwort schreiben! Außerdem solltet ihr nicht lange überlegen, sonst ist einer eurer Lebenspunkte futsch. Also zügig die Frage lesen, verstehen, und die korrekte Antwort zügig und fehlerfrei abtippen...
Doch sehen wir uns mal den Arcade Modus an, in dem zweierlei Modi zur Auswahl stehen. Der eine ist der Story Modus, in dem ihr der Story von "The House of the Dead 2" folgt. Im anderen Modus beschäftigt ihr euch mit einem netten Zeitlimit. Der sogenannte "Training Mode" bietet euch ein 210-Sekunden-Limit, in welchem ihr so viele Zombies für möglich über den Haufen tippen müsst. Wann immer euch ein Untoter erwischt, verliert ihr fünf Sekunden! Habt ihr im Story Modus ein Level geschafft, gelangt ihr zu den Ergebnissen. Hier werdet ihr nach Punkten, Fehlern und den Rang nach dem Erledigen eines jeden Zombies bewertet. Ein Rang wird nach jedem besiegten Zombie angezeigt. Dieser hängt ganz davon ab, wie schnell ihr tippen könnt. Sprich, die Zeit vom ersten getippten Buchstaben bis zum letzten Schuss aus der Tastatur. Die Ränge sind von "A" bis "E" verteilt und alle erreichten Ränge werden zum Schluss zusammengerechnet. Das ergibt einen Gesamtrang. Wer es schafft, so schnell wie die Programmierer von Smilebit zu tippen, bekommt zu Recht den Status "SEGA Typing Proficiency".

Grafisch sieht SEGAs Tastatur-Action-Tipper recht gut aus. Die Gesichtszüge der Zombies, wenn man das überhaupt so nennen kann, sind oft sehr gut zu erkennen. Die unterschiedlichen Level zeigen ebenfalls, wie verlassen und wüst eine Straße doch aussehen kann. Da die Hauptfigur stets von allein läuft, ihr selbst "nur" tippen braucht und auch die Zombies aus vorhergesehenen Löchern gekrochen kommen, gibt es Grafikfehler praktisch gar nicht. Allerdings hätten bestimmte Effekte - beispielsweise wenn Zombies Überlebende attackieren - noch besser aussehen können. Blutig ist "The Typing of the Dead" allemal. Die ganze apokalyptische Umgebung wurde sehr liebevoll gestaltet. Der leichte Gruselfaktor, was allein die Umgebung angeht, kann einem hier durchaus überkommen. Natürlich kommt dies bei weitem nicht an ein "Resident Evil" heran. Der Stereo Sound umhüllt die sechs Etagen zusätzlich mit passenden Musikstücken und Geräuschen, sowie Schreien der Menschen und regelrechtes Heulen der Zombies. Wer vom Original Modus sowie dem Arcade Modus die Nase voll hat oder aber auch keinen weiteren Schreibkurs über sich ergehen lassen möchte, darf im "Drill Mode" seine Schwachstellen trainieren und verbessern. Hier geht es nicht nur um das fehlerfreie Tippen, sondern auch um sekundenschnelle - ach was sag' ich - millisekundenschnelle Reflexe! Wer hier keine Probleme mehr hat, sollte das Hauptspiel sogar mit zwei linken Händen und fünf Daumen meistern. Im Boss Modus dürfen zudem auch alle Endgegner erneut gespielt werden. Die Bestwerte können mitsamt Namen in das Ranking Buch eingetragen werden. Wer gut tippt, kann sich außerdem noch Passwörter freispielen. Etwas sehr interessantes könnte bei der Eingabe dieser in der entsprechenden Option geschehen...
Wem die Tipperei trotz all diesen Optionen allein zu langweilig wird, schnappt sich eine zweite Tastatur, einen Mitspieler und kann um die Wette tippen. Hier werden gleich drei Zeilen am Zombie angezeigt: die erste wie immer das zu schreibende Wort, und zwei weitere Zeilen für beide Player. Wer also noch keine Ersatz-Tastatur im Schrank hat, sollte sich schnellstens um eine bemühen.


Die Idee eines "The Typing of the Dead" ist schon nicht schlecht, dessen Umsetzung aber genial. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass Tippen so viel Spaß machen kann. SEGA scheint hier wirklich an alles gedacht zu haben: verwüstete und abwechslungsreiche Level und vor allem Endgegner. Okay, das Spiel basiert ja auch auf "The House of the Dead 2", weswegen die dort vorkommende Action auch hier 1a überführt wurde. Hier gibt es fordernde Tastatur-Action und zum Teil "fiese" Worte bis hin zu Sätzen, die einem die Lebenslichter auspusten können. Natürlich ist es ein wenig schwierig, so einige Zeichen zu finden. Schließlich tippt man nicht alle Tage auf einer amerikanischen Tastatur. Zumindest ist diese im Spiel des US-Imports einprogrammiert. Nutzt ihr Zuhause eine deutsche Tastatur, wird es an mancher Stelle eben etwas kompliziert.
Doch dafür gibt es den mehr als nur lobenswerten Schreibmaschinen-Kurs. Wer allein das schon immer mal lernen wollte, ist mit diesem Titel schon ziemlich gut beraten. Wo gehört welcher Finger hin, wie schreibt man dies und das? Wer hier fleißig übt, braucht kein Geld für einen echten Kurs auszugeben. Zudem hat nicht jeder die Chance, den Status "SEGA Typing Proficiency" zu bekommen oder? Das Spiel wurde perfekt für die Dreamcast-Tastatur umgesetzt. Wer ins Hauptmenü zurückkehren möchte, benutzt beispielsweise den bekannten "Affengriff" (Strg+Alt+Entf) als Soft-Reset. Mit der Pause-Taste kann das laufende Spiel unterbrochen werden. Aber hier sollte niemand denken, nun könnte er sich das Frage-Antworten-Spiel eines Endgegners genauer anschauen und sich daraus einen Vorteil verschaffen. Nichts ist, der Bildschirm wird in diesem Moment schwarz und bekommt den Vermerk "Pause" spendiert. Raffiniert diese Entwickler! Natürlich ist jedem Spieler dieser Import-Perle angeraten, sich nebst der landeseigenen Tastatur eine US-Tastatur zuzulegen. Denn hier verschwinden bekanntermaßen "ä", "ö" und "ü" und auch so manche Zeichensetzung - sei es der Doppelpunkt, Anführungszeichen oder Klammern - sind hier ganz woanders zu finden. Sich das zu merken, ist zumindest nicht immer auf Anhieb möglich. Tjaaaaa und möchte man zu Zweit spielen, bietet das Spiel ebenfalls viel Reiz. Bin ich froh, dass ich noch eine Ersatz-Tastatur im Schrank habe! Mit diesem Titel hat mich Smilebit jedenfalls vollkommen überzeugt. Ich sage daher nur noch "Type or Die" bzw. kaufen!

Ronny Wecke